Würfelwurf < Wahrscheinlichkeitstheorie < Stochastik < Hochschule < Mathe < Vorhilfe
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(Frage) beantwortet | Datum: | 11:24 Mi 19.12.2012 | Autor: | bandchef |
Aufgabe | Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit beim zweimaligen Wurf mit einem fairem Würfel mindestens eine 6 zu würfeln? |
Hi Leute!
Ich hab mal mit dem Aufstellen der Grundmenge angefangen:
[mm] $\Omega [/mm] = [mm] \{1,2,3,4,5,6\}^2 [/mm] = [mm] \{(\omega_1, \omega_2) | \omega_1, \omega_2 \in \{1,2,3,4,5,6\}\}$
[/mm]
und Ereignis A = mindestens eine 6
Nun komm ich auch noch darauf, dass nach dem ersten Wurf die Wahrscheinlichkeit [mm] $\frac16$ [/mm] sein sollte eine 6 zu würfeln. Aber das ist ja noch nicht alles oder? Wie sieht das nun beim zweiten Wurf aus? Das ist ja wieder [mm] $\frac16$, [/mm] oder?
Also könnte ich nun sagen: $P(A) = [mm] P(A_1) [/mm] + [mm] P(A_2) [/mm] = [mm] \frac16 [/mm] + [mm] \frac16 [/mm] = [mm] \frac{1}{36}$
[/mm]
Stimmt das so? Irgendwie zweifle ich selbst an meiner Lösung. Ich hab mir auch schon so einen Wahrscheinlichkeitsbaum aufgemalt. Aber da ich ja bei jedem Wurf von vorne Anfange, kommt ja jedes Mal die gleiche Wahrscheinlichkeit raus...
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Hallo,
> Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit beim zweimaligen Wurf
> mit einem fairem Würfel mindestens eine 6 zu würfeln?
> Hi Leute!
>
> Ich hab mal mit dem Aufstellen der Grundmenge angefangen:
>
> [mm]\Omega = \{1,2,3,4,5,6\}^2 = \{(\omega_1, \omega_2) | \omega_1, \omega_2 \in \{1,2,3,4,5,6\}\}[/mm]
>
> und Ereignis A = mindestens eine 6
Das sollte man dann auch formalisieren, wenn man schon den verwendeten Wahrscheinlichkeitsraum hinschreibt:
[mm] A=\{(i;6);(6;i);(6;6)\} [/mm] mit [mm] i\in\{1;2;3;4;5\}
[/mm]
bspw.
>
> Nun komm ich auch noch darauf, dass nach dem ersten Wurf
> die Wahrscheinlichkeit [mm]\frac16[/mm] sein sollte eine 6 zu
> würfeln. Aber das ist ja noch nicht alles oder? Wie sieht
> das nun beim zweiten Wurf aus? Das ist ja wieder [mm]\frac16[/mm],
> oder?
>
> Also könnte ich nun sagen: [mm]P(A) = P(A_1) + P(A_2) = \frac16 + \frac16 = \frac{1}{36}[/mm]
>
> Stimmt das so?
Ob 1/6+1/6 gleich 1/36 ist??? Ich behaupte mal einfach: das kannst du selbst nachprüfen.
Und dass dein Ansatz völlig falsch ist, hättest du erkannt, wenn du A sauber ausformuliert hättest.
Gruß, Diophant
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(Frage) beantwortet | Datum: | 11:34 Mi 19.12.2012 | Autor: | bandchef |
Ist mein Wahrscheinlichkeitsraum richtig?
$ [mm] \Omega [/mm] = [mm] \{1,2,3,4,5,6\}^2 [/mm] = [mm] \{(\omega_1, \omega_2) | \omega_1, \omega_2 \in \{1,2,3,4,5,6\}\} [/mm] $
Wie kommst du auf das hier? Was sagt mir das aus?
$ [mm] A=\{(i;6);(6;i);(6;6)\} [/mm] $ mit $ [mm] i\in\{1;2;3;4;5\} [/mm] $
Edit: Ja jetzt verstehe ich. Das formalisiert die Aussage A! Ok, soweit verstanden, aber wie kommst du auf diese Formalisierung? Warum geht i nur bis 5? Wie kommst du auf diese ersten drei Pärchen? Was sagen die aus?
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Hallo,
> Ist mein Wahrscheinlichkeitsraum richtig?
>
> [mm]\Omega = \{1,2,3,4,5,6\}^2 = \{(\omega_1, \omega_2) | \omega_1, \omega_2 \in \{1,2,3,4,5,6\}\}[/mm]
>
>
Ja, das ist IMO richtig (mit den Schreibweisen bin ich auch immer etwas unsicher, aber ich denke, das passt).
> Wie kommst du auf das hier? Was sagt mir das aus?
>
> [mm]A=\{(i;6);(6;i);(6;6)\}[/mm] mit [mm]i\in\{1;2;3;4;5\}[/mm]
>
> Edit: Ja jetzt verstehe ich. Das formalisiert die Aussage
> A! Ok, soweit verstanden, aber wie kommst du auf diese
> Formalisierung? Warum geht i nur bis 5? Wie kommst du auf
> diese ersten drei Pärchen? Was sagen die aus?
Also: dein Wahrscheinlichkeitsraum macht das ganze zu einem Laplace-Experiment. Jedem Paar (i,j) kommt daher die gleiche Wahrscheinlichkeit von 1/36 zu. Ich habe das oben so geschrieben, damit ich den Fall (6;6) nicht doppelt zähle. Aber ob man das so salopp schreiben darf, kann ich dir nicht genau sagen. Gemeint sind halt alle Paare, bei denen die erste Zahl nicht die 6 und die zweite die 6, alle bei denen es andersherum ist und schlussendlich noch (6;6).
Wahrscheinlichkeit dann klar?
Gruß, Diophant
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(Frage) beantwortet | Datum: | 18:17 Mi 19.12.2012 | Autor: | bandchef |
Es tut mir leid, aber die Wahrscheinlichkeit ist immer noch nicht klar.
Ich glaub es liegt ein bisschen daran weil ich das Ereignis an sich nicht verstanden habe...
Ich verstehe das so: Ich würfle einen fairen Würfle einmal. Das gibt 1/6, dass ich eine 6 bekomme. Und nun würfle ich mit dem gleichen fairen Würfel noch einmal einmal. Hier hab ich doch dann wieder die Wahrscheinlichkeit von 1/6...
Ich würde so zum dem Schluss kommen, dass ich diese Wahrscheinlichkeit habe: [mm] $\frac{1}{6} \cdot \frac{1}{6} [/mm] = [mm] \frac{1}{36}$
[/mm]
Aber das stimmt ja anscheinend nicht...
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Hallo,
> Es tut mir leid, aber die Wahrscheinlichkeit ist immer noch
> nicht klar.
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> Ich glaub es liegt ein bisschen daran weil ich das Ereignis
> an sich nicht verstanden habe...
>
> Ich verstehe das so: Ich würfle einen fairen Würfle
> einmal. Das gibt 1/6, dass ich eine 6 bekomme. Und nun
> würfle ich mit dem gleichen fairen Würfel noch einmal
> einmal. Hier hab ich doch dann wieder die
> Wahrscheinlichkeit von 1/6...
> Ich würde so zum dem Schluss kommen, dass ich diese
> Wahrscheinlichkeit habe: [mm]\frac{1}{6} \cdot \frac{1}{6} = \frac{1}{36}[/mm]
das stimmt in der Tat nicht, denn es ist die Wahrscheinlichkeit dafür, dass bei beiden Würfen eine Sechs fällt. Du nutzt den Vorteil nicht, den dir der gewählte Wahrscehinlichkeitsraum bietet: so ist es ein Laplace-Experiment, und für die Wahrscheinlichkeit gilt dann stets
[mm] P=\bruch{\mbox{Anzahl guenstige Faelle}}{\mbox{Anzahl moegliche Faelle}}
[/mm]
Es sollte dir mittlerweile klargeworden sein, aus wie vielen Elementarereignissen deines W-Raums das Ereignis A besteht.
Eine Alternative wäre natürlich hier, über das Komplementärereignis zu gehen. Aber auch dieses will formuliert, formalisiert und abgezählt werden. Letzteres wäre allerdings etwas einacher...
Gruß, Diophant
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(Frage) beantwortet | Datum: | 18:35 Mi 19.12.2012 | Autor: | bandchef |
$ [mm] P=\bruch{\mbox{Anzahl guenstige Faelle}}{\mbox{Anzahl moegliche Faelle}}
[/mm]
Das hier hab ich natürlich auch schon überlegt. Aber was ist die Anzahl günstigster Fälle? Die Anzahl möglicher Fälle ist ja 2; also bei jedem Wurf eine 6.
Und die günstigsten Fälle wären ja auch wenn ich zweimal die 6 würfle...
Irgendwie versteh ich das überhaupt nicht...
Zitat:" Es sollte dir mittlerweile klargeworden sein, aus wie vielen Elementarereignissen deines W-Raums das Ereignis A besteht."
Nein es ist mir nicht klar. Ich hab einen Wurf das ist ein Elementarereignis und einen zweiten Wurf, das ist das andere Elementarereignis. Aber das bringt mich ja auch nicht wirklich weiter...
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Hallo bandchef,
Wenn (a,b) das Wurfergebnis "a im 1. Wurf" und "b im 2. Wurf" bezeichnet, dann gibt es offenbar 36 solcher Wurfergebnisse.
Günstige Fälle sind dann alle (schon beschriebenen) Ergebnisse (6,i), (i,6) und (6,6) mit [mm] 1\le i\le{5}.
[/mm]
Ausgeschrieben sind das also (6,1), (6,2), (6,3), (6,4), (6,5), (1,6), (2,6), (3,6), (4,6), (5,6) und (6,6).
Das sind 11 günstige Fälle von 36 möglichen.
In dieser Größenordnung kann man ja noch zählen.
Trotzdem solltest Du diesen Fall auch mit den von Diophant schon gegebenen Hinweisen berechnen können.
Als Testfall für die Rechnung mag dann die gleiche Aufgabe mit 3 Würfen dienen. Da mag man die günstigen Ergebnisse ja schon nicht mehr zählen. Oder, falls Du dafür doch fleißig genug bis, nimm halt 4 oder 5 Würfe - wie hoch ist jeweils die Wahrscheinlichkeit, dass mindestens eine 6 geworfen wird?
Tipp: das geht dann wirklich besser über die Gegenwahrscheinlichkeit.
Grüße
reverend
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(Frage) beantwortet | Datum: | 18:54 Mi 19.12.2012 | Autor: | bandchef |
Eingabefehler: "{" und "}" müssen immer paarweise auftreten, es wurde aber ein Teil ohne Entsprechung gefunden (siehe rote Markierung)
Danke reverend! Jetzt hab ich das Ereignis an sich verstanden. Das Problem war die ganze Zeit, dass "mindestens eine 6" in der Angabe. Ich hab mir nun das Abzählen auf meinem Blatt hier nochmal vor Augen geführt. Nun ist es klar.
Aber: Ich kann ja nun das Ergebnis von $\frac{11){36}$ nicht einfach so vom Himmel herabfallen lassen. Was ich sagen will:
Ich brauch ja noch irgendwie eine Art "Formel" in die ich dann meine Werte einsetze:
$P(A) = P(A_6) + ...$
mit $P(A_6)$: Die Wahrscheinlichkeit, dass beide Würfe eine 6 egeben. Aber dann kommt ja noch was... Das kann ich dann nicht mehr notieren...
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Hallo,
wie wäre es mit
[mm]P(A)=P((i;6))+P((6;i))+P((6;6))=...[/mm]
Gruß, Diophant
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(Mitteilung) Reaktion unnötig | Datum: | 19:30 Mi 19.12.2012 | Autor: | bandchef |
Ja, das liest sich gut. Danke!
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(Mitteilung) Reaktion unnötig | Datum: | 19:46 Mi 19.12.2012 | Autor: | Diophant |
Hallo,
nachgereicht:
[mm] \overline{A}=\left \{(i,k)\right \} ; i,k\in\left \{1;2;3;4;5 \right \} \Rightarrow \left | \overline{A} \right |=25[/mm]
[in Worten: es fällt keine Sechs]
Und dann wie hoffentlich bekannt:
[mm]P(A)=1-P(\overline{A})=1-\bruch{25}{36}=\bruch{11}{36}[/mm]
Wenn ich mir noch einen Hinweis erlauben darf: man erlebt oft, dass Studenten genau an diesem Punkt viel zu kompliziert denken, was den ganzen neuen Schreib- und Denkweisen, die da auf einen einprasseln, geschuldet ist. Diese Aufgabe hier wird so mittlerweile teilweise in der 8. Klasse am Gymnasium gestellt, bei dir dürfte es eventuell noch Klasse 9 oder 10 gewesen sein. Damals hättest du sie vermutlich ohne mit der Wimper zu zucken richtig gelöst, ohne dir über Wahrscheinlichkeitsräume, Sigma-Algebren, Maße und dergleichen irgendwelche Gedanken zu machen.
Versuche weiterhin, diese einfachen Lösungen aufzufinden. Erst wenn du sie hast, mache dir Gedanken, wie du deinen Wahrscheinlichkeitsraum gewählt hast und wie man das betreffende Ereignis am besten formuliert. Das hilft manchmal dabei, den Blick fürs Wesentliche frei zu bekommen.
Natürlich ist diese Vorgehensweise auch gefährlich: wenn die Aufgaben komplizierter werden, muss man sie wieder aufgeben. Aber dann hat man hoffentlich schon mehr Erfahrung in Sachen Aufgabenverständnis.
Gruß, Diophant
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Status: |
(Umfrage) Beendete Umfrage | Datum: | 19:23 Do 20.12.2012 | Autor: | tobit09 |
Hallo Diophant,
ein sehr interessanter Beitrag!
> Wenn ich mir noch einen Hinweis erlauben darf: man erlebt
> oft, dass Studenten genau an diesem Punkt viel zu
> kompliziert denken, was den ganzen neuen Schreib- und
> Denkweisen, die da auf einen einprasseln, geschuldet ist.
> Diese Aufgabe hier wird so mittlerweile teilweise in der 8.
> Klasse am Gymnasium gestellt, bei dir dürfte es eventuell
> noch Klasse 9 oder 10 gewesen sein. Damals hättest du sie
> vermutlich ohne mit der Wimper zu zucken richtig gelöst,
> ohne dir über Wahrscheinlichkeitsräume, Sigma-Algebren,
> Maße und dergleichen irgendwelche Gedanken zu machen.
Diese Aussage hat mich nachdenklich gemacht... Ist die Universitäts-Stochastik also nur ein Brimborium, das Aufgabenlösen erschwert?
Auch ich habe die wie du die Erfahrung gemacht, dass vielen Studenten manchmal intuitiv eine richtige, aber nicht formal begründete Lösung gelingt.
Eigentlich sollten die Formalismen die Arbeit mit Wahrscheinlichkeiten (und die Kommunikation darüber) erleichtern.
Ich stelle mal eine Hypothese in den Raum: Wenn vergleichbare Lösungswege schon in der Schule durchgenommen werden, wird entweder
1. unbegründet geschlussfolgert oder
2. die Formalismen werden intuitiv mitgedacht.
Als Beispiel versuche ich mal eine "Schullösung" der Aufgabe hier und gebe in Klammern den entsprechenden Formalismus an:
Es gilt P(mindestens eine 6 gewürfelt)=P(zuerst eine 6, dann keine 6 gewürfelt)+P(zuerst keine 6, dann eine 6 gewürfelt)+P(zwei 6en gewürfelt), denn die drei Ereignisse, die rechts vom Gleichheitszeichen auftreten, schließen sich gegenseitig aus.
(Die drei Ereignisse sind paarweise disjunkt; Additivität von P)
Bestimmung etwa von P(zuerst eine 6, dann keine 6 gewürfelt):
Wir notieren die beiden geworfenen Augenzahlen in der Reihenfolge ihres Auftretens hintereinander.
[mm] ($\Omega=\{1,2,3,4,5,6\}^2$)
[/mm]
Wir erhalten so $6*6$ mögliche Ausgänge.
[mm] ($|\Omega|=6*6$)
[/mm]
Alle diese Ausgänge sind gleich wahrscheinlich.
(P Laplace-Verteilung auf [mm] $\Omega$)
[/mm]
$1*6$ dieser $6*6$ möglichen Ausgänge sind günstig für "zuerst eine 6, dann keine 6 gewürfelt".
(|E|=1*6, wenn [mm] $E\subseteq\Omega$ [/mm] für das Ereignis "zuerst eine 6, dann keine 6 gewürfelt" steht)
Also P(zuerst eine 6, dann keine 6 [mm] gewürfelt)=$\bruch{1*6}{6*6}$.
[/mm]
[mm] ($P(E)=\bruch{1*6}{6*6}$)
[/mm]
Wenn meine Hypothese zutrifft, stellt sich mir die Frage, ob 1. oder 2. zutrifft. Im Falle 1. würde ich kritisieren, dass Schüler zum unbegründeten / stupiden Rechnen und somit letztlich zu Fehlschlüssen erzogen werden. Im 2. Falle frage ich mich, worin für Mathe-Studenten genau die Schwierigkeit beim stochastischen Modellieren liegt, wenn schon Schüler entsprechende Überlegungen beherrschen.
Ich würde mich über Meinungen zur Problematik bzw. zu meiner Hypothese freuen!
Viele Grüße
Tobias
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Hallo Tobias,
> Hallo Diophant,
>
>
> ein sehr interessanter Beitrag!
>
>
> > Wenn ich mir noch einen Hinweis erlauben darf: man erlebt
> > oft, dass Studenten genau an diesem Punkt viel zu
> > kompliziert denken, was den ganzen neuen Schreib- und
> > Denkweisen, die da auf einen einprasseln, geschuldet ist.
> > Diese Aufgabe hier wird so mittlerweile teilweise in der 8.
> > Klasse am Gymnasium gestellt, bei dir dürfte es eventuell
> > noch Klasse 9 oder 10 gewesen sein. Damals hättest du sie
> > vermutlich ohne mit der Wimper zu zucken richtig gelöst,
> > ohne dir über Wahrscheinlichkeitsräume, Sigma-Algebren,
> > Maße und dergleichen irgendwelche Gedanken zu machen.
> Diese Aussage hat mich nachdenklich gemacht... Ist die
> Universitäts-Stochastik also nur ein Brimborium, das
> Aufgabenlösen erschwert?
>
> Auch ich habe die wie du die Erfahrung gemacht, dass vielen
> Studenten manchmal intuitiv eine richtige, aber nicht
> formal begründete Lösung gelingt.
>
> Eigentlich sollten die Formalismen die Arbeit mit
> Wahrscheinlichkeiten (und die Kommunikation darüber)
> erleichtern.
>
>
> Ich stelle mal eine Hypothese in den Raum: Wenn
> vergleichbare Lösungswege schon in der Schule
> durchgenommen werden, wird entweder
> 1. unbegründet geschlussfolgert oder
> 2. die Formalismen werden intuitiv mitgedacht.
>
Und eine sehr interessante Hypothese!
>
> Als Beispiel versuche ich mal eine "Schullösung" der
> Aufgabe hier und gebe in Klammern den entsprechenden
> Formalismus an:
>
> Es gilt P(mindestens eine 6 gewürfelt)=P(zuerst eine 6,
> dann keine 6 gewürfelt)+P(zuerst keine 6, dann eine 6
> gewürfelt)+P(zwei 6en gewürfelt), denn die drei
> Ereignisse, die rechts vom Gleichheitszeichen auftreten,
> schließen sich gegenseitig aus.
> (Die drei Ereignisse sind paarweise disjunkt; Additivität
> von P)
>
> Bestimmung etwa von P(zuerst eine 6, dann keine 6
> gewürfelt):
>
> Wir notieren die beiden geworfenen Augenzahlen in der
> Reihenfolge ihres Auftretens hintereinander.
> ([mm]\Omega=\{1,2,3,4,5,6\}^2[/mm])
>
> Wir erhalten so [mm]6*6[/mm] mögliche Ausgänge.
> ([mm]|\Omega|=6*6[/mm])
>
> Alle diese Ausgänge sind gleich wahrscheinlich.
> (P Laplace-Verteilung auf [mm]\Omega[/mm])
>
> [mm]1*6[/mm] dieser [mm]6*6[/mm] möglichen Ausgänge sind günstig für
> "zuerst eine 6, dann keine 6 gewürfelt".
> (|E|=1*6, wenn [mm]E\subseteq\Omega[/mm] für das Ereignis "zuerst
> eine 6, dann keine 6 gewürfelt" steht)
>
> Also P(zuerst eine 6, dann keine 6
> gewürfelt)=[mm]\bruch{1*6}{6*6}[/mm].
> ([mm]P(E)=\bruch{1*6}{6*6}[/mm])
>
>
> Wenn meine Hypothese zutrifft, stellt sich mir die Frage,
> ob 1. oder 2. zutrifft. Im Falle 1. würde ich kritisieren,
> dass Schüler zum unbegründeten / stupiden Rechnen und
> somit letztlich zu Fehlschlüssen erzogen werden. Im 2.
> Falle frage ich mich, worin für Mathe-Studenten genau die
> Schwierigkeit beim stochastischen Modellieren liegt, wenn
> schon Schüler entsprechende Überlegungen beherrschen.
>
>
> Ich würde mich über Meinungen zur Problematik bzw. zu
> meiner Hypothese freuen!
>
Ich habe leider gerade nicht viel Zeit, daher nur ein kurzer Beitrag, der vielleicht meine Motivation hinter dem was ich schrieb verdeutlichen soll.
Sicherlich treffen beide Punkte deiner Hypothese mehr oder weniger zu. Wobei es eben - realistisch betrachtet - in der Schule zu einem gewissen Teil notwendig ist, Schülern Konzepte beizubringen, deren Richtigkeit nicht gezeigt wird, die also auf guten Glauben angewendet werden. Im Falle von solchen einfachen Zufallsexperimenten bringt einen ja die Anschauung, gepaart mit etwas Selbstreflexion, schon relativ weit. Aber mal ein anderes Beispiel: die Exponentialfunktion. Man kann in der Schule nicht die Definition von Potenzen mit reellen Exponenten und den Beweis, dass diese Definition die aus den rationalen Potenzen gewonnenen Potenzgesetze erfüllt, bringen. Man ist an dieser Stelle als Schüler eben gezwungen, unbewiesene Dinge anzuwenden.
Kurz noch zu Punkt 2: hier glaube ich, dass dies fast ausschließlich von den individuellen Fähigkeiten der Schüler abhängt. Aber ein relativ großer Anteil an 'Gekonntem' kommt ohne diese Fähigkeit aus.
Parallel zu den Problematiken, die eben mit der Behandlung der höheren Mathematik in der Schule einhergehen, haben wir natürlich eine fatale Tendenz dazu, dass Denken immer mehr an die elektronischen Rechenhilfsmittel delegiert wird, Mathematik zu einem reinen Anwendungswerkzeug degradiert und damit tiefergehendes Verständnis immer mehr systematisch verhindert wird. Aber das sprengt glaube ich den Diskussionsrahmen hier und das hatte ich weiter oben mit meiner Anregung auch nicht im Sinn.
Es mag sein, dass vieles von dem, was man gerade in der Uni-Stochastik an Formalisierungen hat, von einem gewissen Standpunkt aus als Brimborium angesehen werden kann. Aber ich denke, dieses Brimborium hat schon seine Berechtigung. Es hilft, die Dinge in einem größeren Zusammenhang zu sehen und das ist ja schließlich eines der wichtigsten Ziele im Mathematikstudium. Meine Anregung wollte also nicht dazu auffordern, nach dem Motto back to the roots wieder alles anschaulich anzugehen, sondern eher in Richtung Zweigleisigkeit: neben dem streng formalen Vorgehen auch die einfachen Wege im Blick zu haben und im Idealfall die Zusammenhänge zu erkennen. Das ist für mich jedenfalls, der ich mich ja mit der höheren Mathematik eher aus Liebhaberei in der Freizeit beschäftige, wenn ich es schaffe, immer der beste Weg, einen neuen Sachverhalt oder gar ein neues Fachgebiet als Ganzes zu erfassen.
Gruß, Diophant
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(Mitteilung) Reaktion unnötig | Datum: | 20:41 Do 20.12.2012 | Autor: | tobit09 |
Hallo Diophant,
wow, danke für deine ausführliche Antwort!
> Ich habe leider gerade nicht viel Zeit, daher nur ein
> kurzer Beitrag, der vielleicht meine Motivation hinter dem
> was ich schrieb verdeutlichen soll.
>
> Sicherlich treffen beide Punkte deiner Hypothese mehr oder
> weniger zu. Wobei es eben - realistisch betrachtet - in der
> Schule zu einem gewissen Teil notwendig ist, Schülern
> Konzepte beizubringen, deren Richtigkeit nicht gezeigt
> wird, die also auf guten Glauben angewendet werden. Im
> Falle von solchen einfachen Zufallsexperimenten bringt
> einen ja die Anschauung, gepaart mit etwas Selbstreflexion,
> schon relativ weit. Aber mal ein anderes Beispiel: die
> Exponentialfunktion. Man kann in der Schule nicht die
> Definition von Potenzen mit reellen Exponenten und den
> Beweis, dass diese Definition die aus den rationalen
> Potenzen gewonnenen Potenzgesetze erfüllt, bringen. Man
> ist an dieser Stelle als Schüler eben gezwungen,
> unbewiesene Dinge anzuwenden.
Ich bin auch gar nicht gegen das Anwenden unbewiesener Aussagen in der Schule.
Nur: Wenn man beispielsweise (unbewiesenerweise) festgestellt hat, dass "sich die Wahrscheinlichkeiten unvereinbarer Ereignisse addieren", so muss man aus meiner Sicht auch in der Schule bei jeder Anwendung dieses Sachverhaltes zunächst auf Unvereinbarkeit der Ereignisse prüfen. Sonst sind Fehlschlüsse vorprogrammiert.
> Kurz noch zu Punkt 2: hier glaube ich, dass dies fast
> ausschließlich von den individuellen Fähigkeiten der
> Schüler abhängt.
Das leuchtet mir ein.
> Aber ein relativ großer Anteil an
> 'Gekonntem' kommt ohne diese Fähigkeit aus.
Das leuchtet mir noch nicht so recht ein. Ich habe den Eindruck, für den von mir im vorigen Post angedeuteten Beispiellösungsweg zur Würfelaufgabe sämtliche Formalismen intuitiv benötigt zu haben. Wie sähe z.B. ein Lösungsweg aus, der ohne dieses Mitdenken auskommt?
> Es mag sein, dass vieles von dem, was man gerade in der
> Uni-Stochastik an Formalisierungen hat, von einem gewissen
> Standpunkt aus als Brimborium angesehen werden kann. Aber
> ich denke, dieses Brimborium hat schon seine Berechtigung.
> Es hilft, die Dinge in einem größeren Zusammenhang zu
> sehen und das ist ja schließlich eines der wichtigsten
> Ziele im Mathematikstudium. Meine Anregung wollte also
> nicht dazu auffordern, nach dem Motto back to the roots
> wieder alles anschaulich anzugehen, sondern eher in
> Richtung Zweigleisigkeit: neben dem streng formalen
> Vorgehen auch die einfachen Wege im Blick zu haben und im
> Idealfall die Zusammenhänge zu erkennen. Das ist für mich
> jedenfalls, der ich mich ja mit der höheren Mathematik
> eher aus Liebhaberei in der Freizeit beschäftige, wenn ich
> es schaffe, immer der beste Weg, einen neuen Sachverhalt
> oder gar ein neues Fachgebiet als Ganzes zu erfassen.
Ich denke, dass gerade dieser Transfer zwischen Anschauung und Formalismus an der Uni zu wenig explizit thematisiert wird.
Viele Grüße
Tobias
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Status: |
(Mitteilung) Reaktion unnötig | Datum: | 10:38 Sa 22.12.2012 | Autor: | Diophant |
Hallo Tobias,
> Hallo Diophant,
>
> wow, danke für deine ausführliche Antwort!
>
>
> > Ich habe leider gerade nicht viel Zeit, daher nur ein
> > kurzer Beitrag, der vielleicht meine Motivation hinter dem
> > was ich schrieb verdeutlichen soll.
> >
> > Sicherlich treffen beide Punkte deiner Hypothese mehr oder
> > weniger zu. Wobei es eben - realistisch betrachtet - in der
> > Schule zu einem gewissen Teil notwendig ist, Schülern
> > Konzepte beizubringen, deren Richtigkeit nicht gezeigt
> > wird, die also auf guten Glauben angewendet werden. Im
> > Falle von solchen einfachen Zufallsexperimenten bringt
> > einen ja die Anschauung, gepaart mit etwas Selbstreflexion,
> > schon relativ weit. Aber mal ein anderes Beispiel: die
> > Exponentialfunktion. Man kann in der Schule nicht die
> > Definition von Potenzen mit reellen Exponenten und den
> > Beweis, dass diese Definition die aus den rationalen
> > Potenzen gewonnenen Potenzgesetze erfüllt, bringen. Man
> > ist an dieser Stelle als Schüler eben gezwungen,
> > unbewiesene Dinge anzuwenden.
> Ich bin auch gar nicht gegen das Anwenden unbewiesener
> Aussagen in der Schule.
>
> Nur: Wenn man beispielsweise (unbewiesenerweise)
> festgestellt hat, dass "sich die Wahrscheinlichkeiten
> unvereinbarer Ereignisse addieren", so muss man aus meiner
> Sicht auch in der Schule bei jeder Anwendung dieses
> Sachverhaltes zunächst auf Unvereinbarkeit der Ereignisse
> prüfen. Sonst sind Fehlschlüsse vorprogrammiert.
Nun, das sollte klar sein. In den Schulbüchern, die ich so zu Gesicht bekomme, wird das auch immer getan, irgendwie halt.
>
> > Kurz noch zu Punkt 2: hier glaube ich, dass dies fast
> > ausschließlich von den individuellen Fähigkeiten der
> > Schüler abhängt.
> Das leuchtet mir ein.
>
> > Aber ein relativ großer Anteil an
> > 'Gekonntem' kommt ohne diese Fähigkeit aus.
> Das leuchtet mir noch nicht so recht ein. Ich habe den
> Eindruck, für den von mir im vorigen Post angedeuteten
> Beispiellösungsweg zur Würfelaufgabe sämtliche
> Formalismen intuitiv benötigt zu haben. Wie sähe z.B. ein
> Lösungsweg aus, der ohne dieses Mitdenken auskommt?
>
Wie schon gesagt: meine Antwort war mit ziemlich heißer Nadel gestrickt. Ich hatte das jetzt nicht nur auf die Stochastik sondern auf die gesamte Schulmathematik bezogen. Und mit Gekonntem meinte ich das, was im Gesamtkontext Schule heutztutage als solches angesehen wird. Und das kann durchaus auch mal in der korrekten Bedienung des GTR bestehen, Hauptsache die Notenpunkte stimmen. Das ist in den Kursstufen bei uns in BW kein Horrorszenario sondern Realität. Auf die Stochastik bezogen hast du aber Recht: ohne die richtige Verwendung der Formalismen kommt man bei Aufgaben zu mehrstufigen Zufallsexperimenten nicht weit. Aber schon mit der Binomialverteilung fängt die Problematik wieder an, wenn die Schüler zu mir in die Nachhilfe kommen und Fragen stellen nach dem Motto: was muss ich jetzt mit bimompdf rechnen und was mit binomcdf? Will sagen: die lernen die Binomialverteilung heutztage als eine Art Blackbox, die man verwendet aber nicht verstehen muss. Und Können heißt dann einfach, dass bei Befolgen einiger Regeln und korrektem Eintippen das Ergebnis richtig ist.
> > Es mag sein, dass vieles von dem, was man gerade in der
> > Uni-Stochastik an Formalisierungen hat, von einem gewissen
> > Standpunkt aus als Brimborium angesehen werden kann. Aber
> > ich denke, dieses Brimborium hat schon seine Berechtigung.
> > Es hilft, die Dinge in einem größeren Zusammenhang zu
> > sehen und das ist ja schließlich eines der wichtigsten
> > Ziele im Mathematikstudium. Meine Anregung wollte also
> > nicht dazu auffordern, nach dem Motto back to the roots
> > wieder alles anschaulich anzugehen, sondern eher in
> > Richtung Zweigleisigkeit: neben dem streng formalen
> > Vorgehen auch die einfachen Wege im Blick zu haben und im
> > Idealfall die Zusammenhänge zu erkennen. Das ist für mich
> > jedenfalls, der ich mich ja mit der höheren Mathematik
> > eher aus Liebhaberei in der Freizeit beschäftige, wenn ich
> > es schaffe, immer der beste Weg, einen neuen Sachverhalt
> > oder gar ein neues Fachgebiet als Ganzes zu erfassen.
> Ich denke, dass gerade dieser Transfer zwischen Anschauung
> und Formalismus an der Uni zu wenig explizit thematisiert
> wird.
>
Es ist zwar bei mir schon lange her, dass ich das letzte Mal durch die Türe einer Hochschule gegangen bin, aber ich habe speziell in unserem Gebiet den Eindruck, dass sich immer deutlicher zwei Lager ausbilden: reine Mathematiker und diejenigen, die Mathematik anwenden. Aber das mag ein subjektiver Eindruck von mir sein, den ich nicht konkret belegen kann.
Grüße & schönes Wochende,
Johannes aka Diophant
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(Mitteilung) Reaktion unnötig | Datum: | 13:10 Sa 22.12.2012 | Autor: | rabilein1 |
> ... den Eindruck, dass sich immer deutlicher zwei Lager ausbilden:
> reine Mathematiker und diejenigen, die Mathematik anwenden.
> Aber das mag ein subjektiver Eindruck von mir sein, den ich
> nicht konkret belegen kann.
Da hast du eine komplexe Sache schön auf den Punkt gebracht.
Ein Großteil des Mathe-Unterrichts in der Schule scheint tatsächlich darin zu bestehen, dass die Kinder lernen, wie man einen Taschenrechner richtig bedient.
Und das heißt dann eben, zu wissen, wann man bimompdf und wann man binomcdf eintippen muss. Die weitere Berechnung macht dann der der TR, und man muss das Ergebnis dann nur noch ins Heft übertragen.
Früher, das heißt vor 40 (?) Jahren, wurde noch jede Formel im Schulunterricht "bewiesen", bevor der Schüler sie anwenden durfte.
Heute heißt es dagegen: "Die Formeln, die in Formelsammlung stehen, sind alle korrekt, weil sie schon hunderttausend Mal beweisen wurden. Man muss das Rad ja nicht jeden Tag neu erfinden"
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(Mitteilung) Reaktion unnötig | Datum: | 13:34 Sa 22.12.2012 | Autor: | Diophant |
Hallo Ralf,
> > ... den Eindruck, dass sich immer deutlicher zwei Lager
> ausbilden:
> > reine Mathematiker und diejenigen, die Mathematik anwenden.
> > Aber das mag ein subjektiver Eindruck von mir sein, den ich
> > nicht konkret belegen kann.
>
> Da hast du eine komplexe Sache schön auf den Punkt
> gebracht.
>
> Ein Großteil des Mathe-Unterrichts in der Schule scheint
> tatsächlich darin zu bestehen, dass die Kinder lernen, wie
> man einen Taschenrechner richtig bedient.
>
> Und das heißt dann eben, zu wissen, wann man bimompdf und
> wann man binomcdf eintippen muss. Die weitere Berechnung
> macht dann der der TR, und man muss das Ergebnis dann nur
> noch ins Heft übertragen.
>
> Früher, das heißt vor 40 (?) Jahren, wurde noch jede
> Formel im Schulunterricht "bewiesen", bevor der Schüler
> sie anwenden durfte.
Nein, das war nie so und wird auch nie so sein. Siehe dazu mein weiter oben gebrachtes Beispiel zur Exponentialfunktion. Es ist einfach so, dass jede 'Reform', die gemacht wird, und zwar mittlerweile bis hinunter zum Hauptschulabschluss, immer mehr den sog. Anwendungen Platz einräumt und der reine Mathematikunterricht bleibt dabei auf der Strecke. Solche Anwendungen bestehen dann durchaus auch mal darin, die Länge der Schlange vor einer Kinokasse zu modellieren, und sind also i.d.R. in sachen Sinnhaftigkeit kaum mehr zu unterbieten. Ein weiteres Beispiel ist die falsche Modellierung des durchhängenden Seils einer Hängebrücke mittels quadratischer Funktionen. Da wird bewusst ein falscher Sachverhalt gelehrt, um eine einigermaßen reale Aufgabenstellung zu produzieren.
> Heute heißt es dagegen: "Die Formeln, die in
> Formelsammlung stehen, sind alle korrekt, weil sie schon
> hunderttausend Mal beweisen wurden. Man muss das Rad ja
> nicht jeden Tag neu erfinden"
Ja, wenn noch eine Formelsammliung verwendet wird. Aber die große Frage ist ja: woher kommt diese Entwicklung, bzw. wie in einem Krimi: qui bono?
Gruß, Diophant
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(Mitteilung) Reaktion unnötig | Datum: | 14:03 Sa 22.12.2012 | Autor: | rabilein1 |
> Die große Frage ist ja: woher kommt diese Entwicklung,
> bzw. wie in einem Krimi: qui bono?
Das ist eine philosophische Frage.
Alles auf der Welt entwickelt sich, und zwar mal in die eine und dann wieder in die andere Richtung.
Mal wird großer Wert auf Formalien gelegt (wo dann Schüler immer wieder die Frage stellen "Wozu braucht man das?) und ein anderes mal mehr Wert auf Anwendungen (die dann eventuell unglücklich gewählt sind - siehe "durchhängendes Seil").
Egal, wie man es macht: Allen wird man es nie rechtmachen können.
Meine Erfahrung ist zum Beispiel, dass selbst mathematisch völlig unbegabte Schüler recht gut mit dem Taschenrechner umgehen können, und somit auch Erfolgserlebnisse haben, die sie bei rein formalem Vorgehen nie gehabt hätten - und ihnen somit die Mathematik nicht völlig vergrault wird.
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(Mitteilung) Reaktion unnötig | Datum: | 20:50 Sa 22.12.2012 | Autor: | Diophant |
Hallo,
> > Die große Frage ist ja: woher kommt diese Entwicklung,
> > bzw. wie in einem Krimi: qui bono?
>
> Das ist eine philosophische Frage.
Das glaube ich nun eben nicht. Das ist eine politische Frage und es stecken ganz klare Zielsetzungen dahinter, die aber ungern öffentlich formuliert werden. Es hängt auch ein wenig mit diesem Akademiker-Wahn zusammen, den wir immer mehr erleben: angeblich haben wir seit 20 Jahren zu wenig Akademiker, immer mehr junge Menschen werden in Studiengänge gedrängt, die ihnen nicht wirklich liegen (mit bekannten medizinischen Folgen) und immer weniger Menschen sind bereit, mit ihren Händen oder einfach da darußen durch ihren persönlichen Einsatz dort zu arbeiten, wo die wirlkliche Wertschöpfung stattfindet, von der eine Volkswirtschaft letztendlich lebt und auch dort, wo im sozialen bereich dafür gesorgt wird, dass allen Menschen ein würdiges Dasein ermöglicht wird, was ebenfalls für eine funktionierende Gesellschaft von größter Wichtigkeit ist. Das hat zwar jetzt mit dem Ausgangspunkt der Diskussion nichts mehr zu tun, aber die meisten Diskussionen über Fehlentwicklungen im Schulsystem führen ja interessanterweise auf solche Fragen...
> Alles auf der Welt entwickelt sich, und zwar mal in die
> eine und dann wieder in die andere Richtung.
Ja. Aber eine andere Frage ist es, ob man jeder Entwicklung tatenlos zuschauen soll.
> Mal wird großer Wert auf Formalien gelegt (wo dann
> Schüler immer wieder die Frage stellen "Wozu braucht man
> das?) und ein anderes mal mehr Wert auf Anwendungen (die
> dann eventuell unglücklich gewählt sind - siehe
> "durchhängendes Seil").
>
> Egal, wie man es macht: Allen wird man es nie rechtmachen
> können.
Schule soll ja auch kein Wunschkonzert sein, weder für Schüler noch für Eltern.
Gruß, Diophant
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(Mitteilung) Reaktion unnötig | Datum: | 13:19 So 23.12.2012 | Autor: | rabilein1 |
> Das ist eine politische Frage und es stecken ganz klare Zielsetzungen dahinter, die aber ungern öffentlich formuliert werden.
Zielsetzung ist wohl das entscheidende Stichwort. Und da kommt natürlich die Frage auf: Wo ist das Ziel? Wozu braucht man Mathematik?
Oder noch besser formuliert: Was in der Mathematik braucht der Mensch eigentlich? Und die nächste Frage lautet dann: Welcher Mensch?
Wenn man die Parallele zu "Lesen und Schreiben" zieht, dann ist für die meisten einleuchtend, dass Jemand, der nicht lesen und schreiben kann, im späteren Leben große Schwierigkeiten hat.
Aber wie ist das ohne Mathe-Kenntnisse? Hat man da später ähnliche Schwierigkeiten?
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> > Das ist eine politische Frage und es stecken ganz klare
> > Zielsetzungen dahinter, die aber ungern öffentlich
> > formuliert werden.
>
> Zielsetzung ist wohl das entscheidende Stichwort. Und da
> kommt natürlich die Frage auf: Wo ist das Ziel? Wozu
> braucht man Mathematik?
>
> Oder noch besser formuliert: Was in der Mathematik braucht
> der Mensch eigentlich? Und die nächste Frage lautet dann:
> Welcher Mensch?
>
>
> Wenn man die Parallele zu "Lesen und Schreiben" zieht, dann
> ist für die meisten einleuchtend, dass Jemand, der nicht
> lesen und schreiben kann, im späteren Leben große
> Schwierigkeiten hat.
>
> Aber wie ist das ohne Mathe-Kenntnisse? Hat man da später
> ähnliche Schwierigkeiten?
Hallo rabilein,
so kurz nach einem Weltuntergang und am Vortag zu den
Weihnachtstagen wälzt ihr da schon wieder ganz gewichtige
Themen ...
Die Frage "Wozu braucht der Mensch eigentlich Mathe ?" ist mir
natürlich als ehemaligem Mathe-Lehrer hinlänglich bekannt.
Meiner Meinung kann man diese Frage wirklich nicht befriedigend
beantworten, ohne zuerst die zentrale Gegenfrage zu stellen:
Welcher Mensch ?
Haben wir es mit einem zu tun, der sowieso immer gleich
fragt: "wozu brauch' ich das ?" und in minimalistischer
Manier denkt, er wolle nur das Allernotwendigste lernen,
um irgendwie durchs Leben zu kommen, dann können wir
ihm leider auch nicht viel bieten und können ihm nur raten,
sich in Bereichen zu bewegen, wo man wirklich kaum je
rechnen muss.
Einen, der selber schon gemerkt hat, welch umfassende
und starke Möglichkeiten ihm die Mathematik bietet, um die
Welt besser zu verstehen, können wir nur beglückwünschen
und ihm empfehlen, seinen Weg, der ihm auch weiterhin
viel Befriedigung geben wird, weiter zu verfolgen.
Den Menschen, die zwar ihrer Umwelt gegenüber offen und
interessiert sind, aber bisher die Kraft der Mathematik noch
nicht erfahren haben, können wir ein paar Hinweise geben,
die ihnen zeigen, welch überragende Bedeutung naturwissen-
schaftliche und damit innigst verbunden auch mathematische
Erkenntnisse für unsere gesamte Kultur und Technologie
haben. Es müsste allen in führenden und entscheidenden
Positionen unserer Gesellschaft (also in Wirtschaft, Politik,
Kultur) bewusst werden, welche zentrale Rolle den mathe-
matischen und Mathematik in all ihren Facetten nutzenden
Wissenschaften und Techniken zukommt. Es darf einfach
nicht sein, dass Leute, denen beispielsweise der Unterschied
zwischen Million und Milliarde nicht wirklich klar ist, große
Entscheide etwa über die SBB oder DB, die Pläne für die Energie-
zukunft oder die Planung der Altersversicherung für kommende
Jahrzehnte treffen sollen.
Es ist auch eine ziemliche Schande, dass auch heutzutage
noch gewisse Politiker und Kultur - "Größen" sich in gewissen
Kreisen, in denen sie verkehren, damit brüsten können,
"von Mathematik nie etwas verstanden und es trotzdem
geschafft zu haben" ...
Die Menge an mathematischem Wissen und Fertigkeiten
kann ohne weiteres diskutiert und Bedürfnissen angepasst
werden. Was mir aber in unseren Ländern heutzutage zu
fehlen scheint, ist eine Art grundlegender Wertschätzung
für Mathematik und ihre vielfältigen und für sehr viele
Bereiche des heutigen Lebens und der Wirtschaft zentralen
und entscheidenden Anwendungen.
LG
Al-Chwarizmi
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(Mitteilung) Reaktion unnötig | Datum: | 11:24 Fr 28.12.2012 | Autor: | rabilein1 |
> > Oder noch besser formuliert: Was in der Mathematik braucht
> > der Mensch eigentlich? Und die nächste Frage lautet dann:
> > Welcher Mensch?
Die Idee zu "Welcher Mensch" kam mir, weil ich festgestellt hatte, dass ich von dem Oberstufenstoff (der Mathematik) nichts, aber auch absolut gar nicht im weiteren Verlauf meines Lebens gebraucht hatte. Bis zu dem Zeitpunkt, wo ich dann selber wieder Oberstufen-Mathe-Nachhilfe gegeben habe.
Andererseits haben mir bei einem Klassentreffen ehemalige Mitschüler gesagt, dass sie froh waren über das, was wir in der Schule (Oberstufe) alles in Mathe gemacht hatten. Dadurch hatten sie es dann im Studium und später leichter.
Fazit:
Für manche Menschen ist der Mathe-Unterricht ein großer Ballast. Nicht nur, weil sie ihn schwer verstehen, sondern auch weil sie davon später absolut nichts mehr brauchen und demzufolge sowieso alles wieder vergessen.
Für andere dagegen ist es eine absolute Notwendingkeit.
Reines Rechnen und grundlegendes Zahlenverständnis dagegen ist für Jeden notwendig. Ansonsten würde Niemand in der Lage sein, sich sein Monatsgehalt richtig einzuteilen bzw. er würde sich an der Supermarktkasse leicht betrügen lassen. (Wenn man einen Becher Joghurt mit einem Fünfzig-Euro-Schein bezahlt, sollte man schon abschätzen können, wieviel man ungefähr zurück kriegt)
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(Mitteilung) Reaktion unnötig | Datum: | 11:34 Fr 28.12.2012 | Autor: | Diophant |
Hallo rabilein1,
der Tragödie ersten sowie auch den zweiten Teil, also um mal von etwas anderem als Mathematik zu sprechen, habe ich in dem Sinn seit dem Abi auch nicht mehr gebraucht. Dennoch bin ich froh, dass wir in der Schule beide Teile des Faust ausgiebig durchgenommen haben. Denn inbesondere im Faust 2 kommt ja die Weltanschauung Goethes und damit auch seine - vielleicht etwas eigenen - Vorstellungen von Naturwissenschaft zum Ausdruck, und das ist für mich bis heute eine wertvolle Inspirationsquelle, ohne dass ich das jetzt für irgendetwas brauchen würde.
Wozu also überhaupt braucht man Bildung bzw. ist es eine Tragödie, etwas zu lernen, was man im Moment nicht braucht?
Gruß, Diophant
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(Mitteilung) Reaktion unnötig | Datum: | 10:18 Sa 29.12.2012 | Autor: | rabilein1 |
> Wozu also überhaupt braucht man Bildung bzw. ist es eine
> Tragödie, etwas zu lernen, was man im Moment nicht braucht?
Das ist eine sehr weitgehende (philosiophische / politische ?) Frage.
Man könnte aber auch anders (immer noch philosophisch / politisch) fragen: Welche Art von Bildung braucht der Mensch?
Denn anders als für einen Computer, der eine nahezu unerschöpfliche Speicherkapazität hat und innerhalb einer Sekunde unzählige Kilobyte an Informationen aufnehmen kann, ist dieser Prozess für einen Menschen wesentlich mühevoller. Also gilt es doch abzuwägen: Goethe ODER Einstein. Oder nichts von beiden, weil ja notfalls das gesamte Wissen der Menschheit innerhalb von wenigen Sekunden im Internet zu finden / googeln ist.
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(Mitteilung) Reaktion unnötig | Datum: | 02:32 So 23.12.2012 | Autor: | tobit09 |
Hallo Ralph,
> Mal wird großer Wert auf Formalien gelegt (wo dann
> Schüler immer wieder die Frage stellen "Wozu braucht man
> das?) und ein anderes mal mehr Wert auf Anwendungen (die
> dann eventuell unglücklich gewählt sind - siehe
> "durchhängendes Seil").
Meiner Meinung nach liefern die meist künstlich geschaffenen Anwendungen allenfalls eine Scheinantwort auf die Frage "Wozu braucht man das?". Kaum ein Schüler wird je eine dieser Anwendungen benötigen.
Genausowenig, wie man konkreten Stoff aus vielen anderen Fächern benötigt. Der Grund, dass die Frage "Wozu braucht man das?" gerade in Mathe gestellt wird, liegt wohl daran, dass kaum ein anderes Fach derart viel Frust bereitet.
> Meine Erfahrung ist zum Beispiel, dass selbst mathematisch
> völlig unbegabte Schüler recht gut mit dem Taschenrechner
> umgehen können, und somit auch Erfolgserlebnisse haben,
> die sie bei rein formalem Vorgehen nie gehabt hätten - und
> ihnen somit die Mathematik nicht völlig vergrault wird.
Ich glaube, mit dem Thema Erfolgserlebnisse sprichst du einen wichtigen Punkt an. Davon gibt es für die meisten Schüler in Mathe in der Tat zu wenig.
Aber sind "Erfolgserlebnisse" der Art "Ich habe zwar nichts verstanden, aber ich habe die Schritte, die mir erklärt wurden, 1:1 ausgeführt, so dass der Lehrer meint, mein Ergebnis sei richtig." wirklich geeignet, jemandem die Mathematik nicht zu vergraulen? Sind nicht Erfolgserlebnisse der Art "Jetzt ist mir ein Licht aufgegangen. / Jetzt sind mir Zusammenhänge klar geworden." das Ziel?
Vielleicht müssen wir das Sachniveau in Mathematik an Schulen senken, um das Verständnisniveau zu erhöhen und somit Erfolgserlebnisse zu schaffen.
Viele Grüße
Tobias
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> Ein weiteres Beispiel ist die falsche Modellierung des
> durchhängenden Seils einer Hängebrücke mittels
> quadratischer Funktionen.
> Da wird bewusst ein falscher Sachverhalt gelehrt, um eine
> einigermaßen reale Aufgabenstellung zu produzieren.
Hallo Diophant,
möglicherweise irrst du dich bei diesem Beispiel
(zumindest teilweise).
Wenn wir einfach ein durchhängendes Seil betrachten,
so ist das richtige Modell zur Beschreibung die
Kettenlinie.
Handelt es sich aber um die Tragseile einer Hänge-
brücke, deren Fahrbahn wesentlich schwerer als die
Seile ist, so ist die Parabel tatsächlich das
mathematisch passendere Modell !
siehe hier !
und da ...
und in der dort am Schluss angegebenen pdf-Datei !
LG
Al
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Status: |
(Mitteilung) Reaktion unnötig | Datum: | 21:00 Sa 22.12.2012 | Autor: | Diophant |
Hallo Al-Chwarizmi,
zunächst vielen Dank für die Links. In dem Artikel auf mathematik.de ist ja eine Pdf-Datei mit einer Herleitung verlinkt, worin folgender interessante Satz steht:
Bei den Berechnungen dürfe das Eigengewicht der Tragseile nicht vernacghlässigt, es könne aber zur konstanten Linienlast [mm] q_0 [/mm] hinzugeschlagen werden.
Das Ganze ist immerhin eine Aussage von einem Professor, allerdings scheint er doch eher kein Statiker zu sein. Die Geschichte mit der Parabel ist mir nicht neu, aber dass man das Gewicht der Seile vernachlässigen kann, wage ich ebenso zu bezweifeln wie die Tatsache, dass man es einfach zur angehängten Last addieren darf (bei der ich ebenfalls bezweifle, dass man sie als Linienlast annehmen darf). Solche Seile sind ordentlich schwer, und ich kann mir nicht so ganz vorstellen, dass die daranhängende Last den gesamten Effekt, der zur Kettenlinie führt, überlagert. Aber vielleicht kann uns ein Experte in dieser Frage weiterhelfen (*zu Loddar wink* .
Grüße, und rund herum schon einmal schöne Weihnachten, Diophant
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> Hallo Al-Chwarizmi,
>
> zunächst vielen Dank für die Links. In dem Artikel auf
> mathematik.de ist ja eine Pdf-Datei mit einer Herleitung
> verlinkt, worin folgender interessante Satz steht:
>
> Bei den Berechnungen dürfe das Eigengewicht der Tragseile
> nicht vernacghlässigt, es könne aber zur konstanten
> Linienlast [mm]q_0[/mm] hinzugeschlagen werden.
>
> Das Ganze ist immerhin eine Aussage von einem Professor,
> allerdings scheint er doch eher kein Statiker zu sein. Die
> Geschichte mit der Parabel ist mir nicht neu, aber dass man
> das Gewicht der Seile vernachlässigen kann, wage ich
> ebenso zu bezweifeln wie die Tatsache, dass man es einfach
> zur angehängten Last addieren darf (bei der ich ebenfalls
> bezweifle, dass man sie als Linienlast annehmen darf).
> Solche Seile sind ordentlich schwer, und ich kann mir nicht
> so ganz vorstellen, dass die daranhängende Last den
> gesamten Effekt, der zur Kettenlinie führt, überlagert.
> Aber vielleicht kann uns ein Experte in dieser Frage
> weiterhelfen (*zu Loddar wink* .
>
> Grüße, und rund herum schon einmal schöne Weihnachten,
> Diophant
Hallo Diophant,
für eine genaue Rechnung darf man das Gewicht der
Seile bestimmt nicht einfach vernachläßigen - doch ist
es immerhin um einen erheblichen Faktor kleiner als
das Gewicht der Fahrbahn; und daher habe ich auch
geschrieben:
"Handelt es sich aber um die Tragseile einer Hänge-
brücke, deren Fahrbahn wesentlich schwerer als die
Seile ist, so ist die Parabel tatsächlich das mathe-
matisch passendere Modell !"
(beachte den Komparativ !)
Ich werde mich über das Thema noch mit einem der
weltweit besten Spezialisten in dem Gebiet unterhalten,
der auch selber Hängebrücken gebaut hat. Er ist so
zufälligerweise mein "kleiner Bruder" ...
Auch Dir schöne Weihnachtstage !
Al
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Hallo,
mein Bruder hat geantwortet und meinte zusammenfassend
(nach einigen Rechnungen):
Der von dir angenommene Faktor 5 in
$\ [mm] m_{Fahrbahn}\ \approx\ [/mm] \ 5\ *\ [mm] m_{Kabel}$
[/mm]
ist für sehr grosse Spannweiten gut geschätzt, und das Hängeseil nimmt mit sehr guter Näherung die Form einer quadratischen Parabel an. Ausser ungefähr gleichmässig verteilten Lasten sind vor allem auch einseitige Lasten zu betrachten; wegen des relativ weichen Systemverhaltens führen diese rasch zu beträchtlichen Verformungen, und deshalb ist gegebenenfalls eine Systemversteifung z.B. mit geneigten Hängern erforderlich.
LG, Al
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(Mitteilung) Reaktion unnötig | Datum: | 11:35 Mi 26.12.2012 | Autor: | Diophant |
Hallo Al-Chwarizmi,
vielen Dank für diese sehr interessante Hintergrundinformation. Da muss ich sagen: wieder was gelernt!
Den Faktor zwischen Masse Seil und Masse Fahrbahn hätte ich in einer ähnlichen Größenordnung gesehen, aber dass die fünffache Masse der Fahrbahn schon dazu ausreicht, dass das Seil in sehr guter Näherung parabelförmig wird, hätte ich nicht gedacht.
Grüße und weiterhin eine schöne Weihnachtszeit,
Diophant
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> Hallo Al-Chwarizmi,
>
> vielen Dank für diese sehr interessante
> Hintergrundinformation. Da muss ich sagen: wieder was
> gelernt!
>
> Den Faktor zwischen Masse Seil und Masse Fahrbahn hätte
> ich in einer ähnlichen Größenordnung gesehen, aber dass
> die fünffache Masse der Fahrbahn schon dazu ausreicht,
> dass das Seil in sehr guter Näherung parabelförmig wird,
> hätte ich nicht gedacht.
>
> Grüße und weiterhin eine schöne Weihnachtszeit,
>
> Diophant
Hallo Diophant,
was "sehr gute Näherung" konkret genau bedeuten mag,
wäre (in dm und cm , an verschiedenen Stellen einer
Brücke großer Spannweite betrachtet) noch zu berechnen.
Es ist nun ja so, dass man für eine Hängebrücke auch
lieber nur das "Mittelstück" der Kettenlinie / Parabel
benützen möchte, in welchem die Steigung nicht allzu
groß wird - um nicht allzu hohe Trägermasten errichten
zu müssen.
Und in diesem Bereich ist der Unterschied zwischen
Kettenlinie und Parabel eh schon nicht überwältigend
(insbesondere auch, weil in der Entwicklung von cosh(x)
das Glied mit [mm] x^3 [/mm] gar nicht vorkommt !
LG, Al
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Hallo zusammen,
ich habe jetzt an einem Beispiel die Vergleichsrechnung noch
durchgeführt. Ich nahm die Daten der George Washington
Brücke in New York, die von Othmar Ammann entworfen
und 1931 eröffnet wurde:
Spannweite 1067 m , max. Seildurchhang etwa 100 m
Massen pro Meter Länge:
Fahrbahn: etwa 60'000 kg / m
Tragekabel (alle 4 zusammen): etwa 15'000 kg / m
Horizontale Zugkraftkomponente: [mm] F_H \approx 10^6 [/mm] N
Mittels Mathematica habe ich dann die daraus resul-
tierende DGL für die Durchhangkurve der Tragekabel
numerisch gelöst und die entstandene Kurve verglichen:
a) mit der Parabel 2. Ordnung;
b) mit der entsprechenden Kettenlinie für den Fall, dass
die gesamte Last in den Kabeln gleichmäßig verteilt wäre -
welche jeweils an den Endpunkten (also auf den Pylonen)
und im Tiefpunkt (über der Brückenmitte) mit ihr über-
einstimmen.
Für die maximalen vertikalen Abweichungen erhielt ich:
a) Lösungskurve / Parabel: etwa 7 cm
b) Lösungskurve / Kettenlinie: etwa 30 cm
Natürlich wäre ich froh, wenn mindestens noch jemand
meine Rechnungen überprüft.
Deshalb deklariere ich dies als Frage.
LG
Al-Chwarizmi
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(Mitteilung) Reaktion unnötig | Datum: | 17:20 Sa 12.01.2013 | Autor: | matux |
$MATUXTEXT(ueberfaellige_frage)
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(Mitteilung) Reaktion unnötig | Datum: | 01:41 So 23.12.2012 | Autor: | tobit09 |
> Und mit Gekonntem meinte ich das, was im Gesamtkontext
> Schule heutztutage als solches angesehen wird. Und das kann
> durchaus auch mal in der korrekten Bedienung des GTR
> bestehen, Hauptsache die Notenpunkte stimmen. Das ist in
> den Kursstufen bei uns in BW kein Horrorszenario sondern
> Realität.
Ich habe nicht grundsätzlich etwas dagegen, dass man auch für die Bedienung des GTR Punkte bekommen kann. Allerdings sollte dabei der Fokus auf dem Verständnis der Bedeutung der Funktionen des GTR liegen und nicht in unverstandener Schema-F-Bedienung.
> Aber schon mit der Binomialverteilung fängt die
> Problematik wieder an, wenn die Schüler zu mir in die
> Nachhilfe kommen und Fragen stellen nach dem Motto: was
> muss ich jetzt mit bimompdf rechnen und was mit binomcdf?
> Will sagen: die lernen die Binomialverteilung heutztage als
> eine Art Blackbox, die man verwendet aber nicht verstehen
> muss. Und Können heißt dann einfach, dass bei Befolgen
> einiger Regeln und korrektem Eintippen das Ergebnis richtig
> ist.
Ich bin auch nicht gegen Blackboxes. Die Anwendung eines mathematischen Satzes ist ja auch vergleichbar mit einer Art Blackbox: Man vernachlässigt in dem Moment den Beweis des Satzes und nutzt nur dessen Korrektheit. Ohne solche Blackboxes könnte kein Mensch größere mathematische Sachverhalte nachvollziehen.
Im Falle der Binomialverteilung halte ich es für vertretbar, die Zähldichte zu vernachlässigen. Vor der Frage "Wann VERWENDE ich binompdf bzw. binomcdf?" muss aber stehen: "Wann ist eine zufällige Größe binomialverteilt?" und "Was BEDEUTEN binompdf und binomcdf?".
Um dieses Verständnis in den Mittelpunkt zu rücken, sehe ich folgende didaktische Methoden:
1. Eine vollständige Lösung einer Beispielaufgabe sollte aus meiner Sicht in etwa so aussehen:
"Es liegt eine Bernoulli-Kette der Länge ... mit Trefferwahrscheinlichkeit ... vor. Bezeichne X die Anzahl der Treffer. Dann gilt [mm] $P(X=\ldots)=\operatorname{binompdf}(\ldots,\ldots,\ldots)=\ldots$. [/mm] Die gesuchte Wahrscheinlichkeit lautet also ..."
und nicht nur
[mm] "$\operatorname{binompdf}(\ldots,\ldots,\ldots)=\ldots$. [/mm] Die gesuchte Wahrscheinlichkeit lautet also ...".
2. Nicht immer die gleichen Aufgabentypen stellen. Auch z.B. mal fragen:
- Liegt in diesem und jenem Beispiel eine Bernoulli-Kette vor?
- Ist diese und jene zufällige Größe binomial-verteilt? Falls ja: Wie lauten Länge der zugrundeliegenden Bernoulli-Kette und Trefferwahrscheinlichkeit des zugrundeliegenden Bernoulli-Experimentes?
- Was bedeutet binompdf(n,p,5) in diesem und jenem Beispiel?
Insbesondere die Methode 2. ist für viele Bereiche der Schulmathematik anwendbar. Beispiele:
Warum werden ohne Ende Gleichungen gelöst, aber niemand kümmert sich darum, ob die Schüler überhaupt wissen, was eine Lösung einer Gleichung ist? Abhilfe schaffen könnten Fragen wie:
- Was bedeutet "5 ist eine Lösung der Gleichung 2*x=10"?
- Ist 5 eine Lösung der Gleichung x+x=8?
Untersuchung einer Funktion auf Extremstellen ist ein typisches Beispiel, das unverstanden durchgeführt werden kann. Auf Verständnis hinzielen könnten Aufgaben wie:
- Untersuche, ob $x=5$ Extremstelle der Funktion ... ist.
- Für eine differenzierbare Funktion [mm] $f\colon\IR\to\IR$ [/mm] habe $f'$ genau die Nullstellen -2 und 5. Es gelte $f''(-2)=3$ und $f''(5)=-3$. Welche Maximal- und Minimalstellen hat f?
- Eine Funktion [mm] $f\colon\IR\to\IR$ [/mm] erfülle $f'(5)=7$. Ist $x=5$ eine Maximalstelle von f?
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