Unstetig in jedem Punkt < Analysis < Hochschule < Mathe < Vorhilfe
|
Status: |
(Frage) beantwortet | Datum: | 01:11 Fr 23.07.2004 | Autor: | Micha |
Hallo liebe Matheraum-Freunde!
Ich habe mal folgende Behauptung und möchte gern wissen, ob die stimmt, bzw. ob der Beweis ausreicht:
Die Funktion [mm]f: \IR \to \IR[/mm] gegeben durch
[mm]f(x) := \left\{ \begin{matrix} 1, & x \in \IQ \\
0, & x \in \IR \setminus \IQ\\ \end{matrix} \right.[/mm] ist nicht stetig in jedem ihrer Punkte.
Dazu hab ich Folgendes gefunden:
http://www.mathe-seiten.de/zahlentheorie.pdf
(seite 10f. )
Da steht, dass zwischen je 2 rationalen Zahlen eine irrationale Zahl sich finden lässt und umgekehrt. Ist damit der Beweis fertig? Geht das auch formaler?
Gruß Micha
|
|
|
|
Status: |
(Antwort) fertig | Datum: | 01:51 Fr 23.07.2004 | Autor: | Marc |
Hallo Micha,
Dann mache ich mal was für meine Antworten-Statistik
> Die Funktion [mm]f: \IR \to \IR[/mm] gegeben durch
> [mm]f(x) := \left\{ \begin{matrix} 1, & x \in \IQ \\
0, & x \in \IR \setminus \IQ\\ \end{matrix} \right.[/mm]
> ist nicht stetig in jedem ihrer Punkte.
>
> Dazu hab ich Folgendes gefunden:
>
> http://www.mathe-seiten.de/zahlentheorie.pdf
> (seite 10f. )
>
> Da steht, dass zwischen je 2 rationalen Zahlen eine
> irrationale Zahl sich finden lässt und umgekehrt. Ist damit
> der Beweis fertig? Geht das auch formaler?
Diese Eigenschaft der rationalen und irrationalen ist schon sehr nützlich für den Beweis (und ich setze diese Eigenschaft jetzt mal als bewiesen voraus).
Aus dieser Eigenschaft folgt sofort:
In jeder Umgebung einer rationalen Zahl liegt eine irrationale Zahl [mm] ("$\IQ$ [/mm] liegt dicht in [mm] $\IR$").
[/mm]
In jeder Umgebung einer irrationalen Zahl liegt eine rationale Zahl [mm] ("$\IR\setminus\IQ$ [/mm] liegt dicht in [mm] $\IR$").
[/mm]
Ein formaler Stetigkeitsbeweis mit dem [mm] $\varepsilon-\delta$-Kriterium [/mm] folgt nun sofort zum Widerspruch:
Sei [mm] $x_0\in\IR$ [/mm] fest, aber beliebig.
Sei [mm] $\varepsilon>0$.
[/mm]
Für [mm] $\delta>0$ [/mm] ist [mm] $B_\delta(x_0)$ [/mm] eine Umgebung von [mm] $x_0$, [/mm] in der wegen der Dichtheit von [mm] $\IQ$ [/mm] bzw. [mm] $\IR\setminus\IQ$ [/mm] ein
rationales [mm] $x_1$ [/mm] existiert, falls [mm] $x_0$ [/mm] irrational ist bzw. ein
irrationales [mm] $x_1$, [/mm] falls [mm] $x_0$ [/mm] rational ist.
Für [mm] $x_0,x_1$ [/mm] gilt also:
[mm] $|x_0-x_1|<\delta$ [/mm] und [mm] $|f(x_0)-f(x_1)|=1$, [/mm] unabhängig von der Wahl von [mm] $\varepsilon$.
[/mm]
Für [mm] $\varepsilon:=\bruch{1}{2}$ [/mm] existiert also kein [mm] $\delta>0$, [/mm] so dass
[mm] $|f(x_0)-f(x_1)|<\varepsilon$ [/mm] für alle [mm] x\in\IR [/mm] mit [mm] $|x_0-x|<\delta$.
[/mm]
Also ist f in [mm] x_0 [/mm] unstetig.
Viele Grüße,
Marc
|
|
|
|
|
Status: |
(Frage) beantwortet | Datum: | 10:08 Fr 23.07.2004 | Autor: | Micha |
hmm ich frage mich gerade, ob das die einzige Funktion ist, die in jedem Punkt unstetig ist. Kann mir jemand noch mehr Beispiele dazu konstruieren?
Gruß, Micha
|
|
|
|
|
Status: |
(Antwort) fertig | Datum: | 10:42 Fr 23.07.2004 | Autor: | Stefan |
Lieber Micha!
Ach, da gibt es überabzählbar viele Beispiele.
Nehme dir zum Beispiel eine beliebige stetige Funktion $f : [mm] \IR \to \IR$, [/mm] eine in [mm] $\IR$ [/mm] dichte Teilmenge $D$, so dass auch [mm] $\red{\IR \setminus D}$ [/mm] dicht in [mm] $\red{\IR}$ [/mm] ist (siehe Beitrag von Sir Jective), eine Konstante $C>0$ und setze dann
[mm] $\tilde{f}(x)= \left\{ \begin{array}{ccc} f(x) & , & \mbox{falls}\quad x \in D,\\[5pt] f(x)+C & , & \mbox{falls} \quad x \in \IR \setminus D. \end{array} \right.$
[/mm]
Dann ist [mm] $\tilde{f}$ [/mm] in keinem Punkt stetig.
Liebe Grüße
Stefan
|
|
|
|
|
Status: |
(Frage) beantwortet | Datum: | 10:56 Fr 23.07.2004 | Autor: | Micha |
> Lieber Micha!
>
> Ach, da gibt es überabzählbar viele Beispiele.
>
> Nehme dir zum Beispiel eine beliebige stetige Funktion [mm]f : \IR \to \IR[/mm],
> eine in [mm]\IR[/mm] dichte Teilmenge [mm]D[/mm], eine Konstante [mm]C>0[/mm] und
> setze dann
>
> [mm]\tilde{f}(x)= \left\{ \begin{array}{ccc} f(x) & , & \mbox{falls}\quad x \in D,\\[5pt] f(x)+C & , & \mbox{falls} \quad x \in \IR \setminus D. \end{array} \right.[/mm]
>
>
> Dann ist [mm]\tilde{f}[/mm] in keinem Punkt stetig.
>
> Liebe Grüße
> Stefan
>
Geht das nur für dichte Teilmengen im Definitionsbereich? Oder kann man solche Funktionen die überall unstetig sind, nur auf diese Weise konstruieren?
|
|
|
|
|
Hallo Micha und Stefan,
> > Nehme dir zum Beispiel eine beliebige stetige Funktion [mm]f : \IR \to \IR[/mm],
> > eine in [mm]\IR[/mm] dichte Teilmenge [mm]D[/mm], eine Konstante [mm]C>0[/mm]
> > und setze dann
> > [mm]\tilde{f}(x)= \left\{ \begin{array}{ccc} f(x) & , & \mbox{falls}\quad x \in D,\\[5pt] f(x)+C & , & \mbox{falls} \quad x \in \IR \setminus D. \end{array} \right.[/mm]
> >
> > Dann ist [mm]\tilde{f}[/mm] in keinem Punkt stetig.
Das ist fast richtig: Es muessen sowohl D als auch $R [mm] \setminus [/mm] D$ dicht in R liegen, damit die so definierte Funktion ueberall unstetig ist.
> Geht das nur für dichte Teilmengen im Definitionsbereich?
> Oder kann man solche Funktionen die überall unstetig sind,
> nur auf diese Weise konstruieren?
Diese Konstruktion ist eine natuerliche Verallgemeinerung des ersten Beispiels (der Dirichlet-Funktion). Wie eben gesagt, ist dafuer notwendig, dass D und $R [mm] \setminus [/mm] D$ dicht in R liegen, weil z.B. in jedem Punkt von [mm] R\D, [/mm] der nicht Haeufungspunkt von D ist, die neue Funktion stetig ist.
Eine weitere Verallgemeinerung dieser Konstruktion waere, statt einer Konstanten C eine Funktion C(x) zu nehmen, deren Betrag ueberall groesser als eine vorgegebene positive Konstante ist (diese Funktion C(x) muss nicht stetig sein).
Mit diesem letzten Beispiel kann man wohl schon sehr viele der nirgends stetigen Funktionen darstellen (indem man einfach C(x) als geeignete nirgends stetige Funktion waehlt).
Ein anderer Ansatz zur Konstruktion nirgends stetiger Funktionen sind unendliche Reihen von Funktionen mit ein paar Unstetigkeitsstellen.
Gruss,
SirJective
PS: Beim googeln bin ich ueber einige "Monster-Funktionen" gestolpert, die die eine oder andere unerwartete Eigenschaft haben (stetig, aber nirgends differenzierbar; stetig, aber nirgends monoton; stetig auf den irrationalen Zahlen, aber nicht auf den rationalen).
|
|
|
|
|
Status: |
(Mitteilung) Reaktion unnötig | Datum: | 17:27 Fr 23.07.2004 | Autor: | Stefan |
Lieber Christian!
> Das ist fast richtig: Es muessen sowohl D als auch [mm]R\D[/mm]
> dicht in R liegen, damit die so definierte Funktion
> ueberall unstetig ist.
Das stimmt natürlich, Danke für die Verbesserung.
> Ein anderer Ansatz zur Konstruktion nirgends stetiger
> Funktionen sind unendliche Reihen von Funktionen mit ein
> paar Unstetigkeitsstellen.
Könntest du das mal bitte näher ausführen? Bekommt man es auf diese Art wirklich hin, dass jeder Punkt Unstetigkeitspunkt ist?
Edit: Stimmt, man kann es so hinkriegen, wenn man die Vereinigung der "paar Unstetigkeitsstellen" abzählbar dicht wählt, so dass auch das Komplement dicht ist und noch zusätzliche Dinge beachtet (sonst konstruiert man sich nachher aus Versehen eine Funktion, die auf [mm] $\IQ$ [/mm] unstetig ist, aber auf [mm] $\IR \setminus \IQ$ [/mm] stetig). Schließlich ist zunächst einmal nur jeder Punkt aus der Vereinigung der "paar Unstetigkeitsstellen" ein Unstetigkeitspunkt, aber was ist mit den anderen Punkten? Aber klar, man kann das schon hinbekommen.
> PS: Beim googeln bin ich ueber einige "Monster-Funktionen"
> gestolpert, die die eine oder andere unerwartete
> Eigenschaft haben (stetig, aber nirgends differenzierbar;
> stetig, aber nirgends monoton; stetig auf den irrationalen
> Zahlen, aber nicht auf den rationalen).
Ja, aber so monstermäßig sind die gar nicht. Das bekannteste Beispiel für den ersten Fall sind zum Beispiel fast alle Pfade einer Brownschen Bewegung.
Liebe Grüße
Stefan
|
|
|
|
|
Status: |
(Frage) beantwortet | Datum: | 17:42 Fr 23.07.2004 | Autor: | Micha |
> > PS: Beim googeln bin ich ueber einige
> "Monster-Funktionen"
> > gestolpert, die die eine oder andere unerwartete
> > Eigenschaft haben (stetig, aber nirgends differenzierbar;
>
> > stetig, aber nirgends monoton; stetig auf den
> irrationalen
> > Zahlen, aber nicht auf den rationalen).
>
> Ja, aber so monstermäßig sind die gar nicht. Das
> bekannteste Beispiel für den ersten Fall sind zum Beispiel
> fast alle Pfade einer Brownschen Bewegung.
>
Mein Bronstein sagt mir nichts zu Brownscher Bewegung, kannst du dazu bitte noch etwas mehr sagen stefan? Ich habe diesen ganzen Thread aus Interesse an dem Thema ausgewählt, weil ich gestern in einem Buch über die Bedingung "in keinem Punkt stetig" gestolpert bin, und mich hat irgendwie voll das Interesse gepackt *zugeb*.
Leider bin ich ab heute abend 22 Uhr im Urlaub, aber wenn ich wiederkomme nerve ich euch dann auch wieder *g*.
> Liebe Grüße
> Stefan
>
>
|
|
|
|
|
Status: |
(Antwort) fertig | Datum: | 17:51 Fr 23.07.2004 | Autor: | Stefan |
Hallo Micha!
Darf ich jetzt so dreist sein und auf mein eigenes Skript verweisen (die Vorlesung habe ich auch zur Hälfte selber gehalten)?
https://matheraum.de/fima
Im Vorkurs 1 findest du die Brownsche Bewegung auf den ersten Seiten (ich glaube ab Seite 3 oder so), allerdings habe ich sie dort (mathematisch schöner ) als Wiener-Prozess bezeichnet.
Liebe Grüße
Stefan
|
|
|
|